Spätestens seit Lustmord ist Ambiente für mich durchaus auch eine musikalische Spielwiese. Früher, zu meinen Sturm-Und-Drang-Zeiten, wäre das undenkbar gewesen. Ambiente war für mich langweiliges Hotel-Lobby-Geplätscher, welches man bestenfalls zum Frühstück nach einer durchzechten Nacht mit schwerem Kopf hätte ertragen können. Wie gesagt; mittlerweile kann ich diesem Genre durchaus Einiges abgewinnen. Zumal die Grenzen zu Electronics und ruhigen Ausläufern des Krautrock absolut fließend sind.
In dieser Woche habe ich mir mein erstes Album von Mr. Ambiente himself in den Schrank geholt. Brian Eno behauptet von sich sogar den Namen "Ambiente" für dieses Sub-Genre der Musik selbst erfunden zu haben. Er meint damit Musik, die eine Landschaft kreiert zu der man selbst dazu gehören kann. ... und genau das ist ganz mein Ding. Ich habe festgestellt, dass mich diese Art der Musik fesselt und meistens völlig aus dem Alltag in eine andere Welt holt. Das entstresst mich total. In meinem Kopf läuft ein Film ab. Das ist eine magische Wirkung von Musik, die ich inzwischen sehr zu schätzen weiß. Dabei ist die Musik selbst häufig sehr ungewöhnlich ... strange ... meistens elektronisch erzeugt und/oder mit konventionellen Instrumenten gemischt - Soundcollagen, manchmal mit Gesang unterlegt. Brian Eno ist hier als Pionier seit Anfang der 1970er Jahre unterwegs. Übrigens war er Mitbegründer der britschen Art-Rock- und New-Wave-Band Roxy Music. Da ist er aber bereits 1973 wieder ausgestiegen. Über die Anzahl, wieviele Alben Brian Eno seither solo veröffentlicht hat, widersprechen sich die Quellen. Es mögen um die 20 sein. An unzähligen weiteren hat er zumindest mitgewirkt, beispielsweise bei David Bowie, Peter Gabriel, den Talking Heads oder U2. Brian Eno hat in den 1990er Jahren interessanterweise auch den Jingle für Windows95 komponiert und diverse Klingeltöne für Nokia.
Seit einiger Zeit erschließe ich mir nun Stück für Stück sein musikalisches Schaffen. Dabei ist mir "The Ship" insbesondere über einen Artikel in der Visions angetragen worden, der mich darüber informierte, dass dieses Album neu als Vinyl veröffentlicht wurde. Das muss im vergangenen Jahr gewesen sein, denn der Titeltrack (21:19 Minuten lang) hat es immerhin in meine persönlichen Spotify Charts des vergangenen Jahres auf Platz 4 geschafft. Dabei beeindruckt mich insbesondere wie es Brian Eno schafft mit musikalischen Mitteln zunächst ein ruhiges Gewässer zu malen, über das sich so langsam Nebelschwaden ziehen, die immer dichter werden und sich von Weitem ein Schiff langsam nähert, welches immer bedrohlicher und mystischer wirkt. Sensationell! ... Das sind zumindest meine Empfindungen dabei. Das mag bei jemandem anderen ganz anders ankommen. Der zweite mehrteilige Longtrack heißt "Fickle Sun" und vermittelt mir zunächst die trügerische Ruhe eines sonnigen Sommerabends nach getaner Arbeit, im vollen Bewußtsein morgen wieder in die stressige Arbeitshölle zu müssen und die Sorgen und Ängste die man dann mit in den späten Abend und die folgende Nacht mit nimmt. Ob sich Brian Eno das auch nur ansatzweise bei seiner Komposition so gedacht hat, darf gern bezweifelt werden. Mir gefällt's jedenfalls so.
***
P.S.: Übrigens habe ich mich hier bewußt für eine CD-Ausgabe entschieden, weil gelegentliches Knacken, wie es sich bei Vinyl nunmal nicht vermeiden ließe, tatsächlich dieser Art der Musik absolut abträglich wäre.
auf Spotify anhören