Die LP dieser Woche ist mir vorgestern beim Waschen in die Hände gefallen. Ja... ich habe die ersten Tage meines Weihnachtsurlaubs gleich mal sinnvoll genutzt und einige meiner Schätzchen einer gründlichen Reinigung unterzogen. .... und dabei natürlich auch gleich wieder angehört.
Über Karats Platz in der deutschen Rock-Geschichte braucht man nun wirklich keine Worte verlieren. Karat kannte ich bereits als Grundschulkind. "Über sieben Brücken" war damals in der 2. oder 3. Klasse eines meiner absoluten Lieblingslieder. Mit meinem Freund Jan habe ich im Schulhort den Refrain des Liedes solange "gesungen" bis eine Erzieherin kam und uns das verboten hat, weil alle anderen Kinder im Hort völlig genervt waren. Mit fortschreitendem Eintritt ins Jugendalter und der Entwicklung zum Metalhead verlor ich allerdings das Interesse an Karat wie auch an vielen anderen Bands aus meiner frühen Kindheit. Wobei ich sie nie so ganz aus den Augen verloren habe. Sie waren ja auch wirklich gut! Wahrscheinlich ist so auch zu erklären, dass ich mir mit Erscheinen 1985 diese Live-LP zugelegt habe. So oft habe ich sie damals freilich nicht gehört, aber ich bin sehr froh sie heute zu haben. Übrigens habe ich dieser Tage bei Amazon ein Re-Issue dieses Doppelalbums für sage und schreibe 35,-€ als rotes/blaues Vinyl gesehen. Ich habe damals 16,10 Mark der DDR dafür bezahlt. Viele Jahre gab es dieses Album gar nicht als Neupressung.
Das Live-Album "Auf dem Weg zu Euch" ist ein wunderbares Zeitdokument. Zum Einen enthält es alle wesentlichen Hits der Band und zwar in den Live-Fassungen viel dynamischer und druckvoller als die jeweiligen Studio-Produktionen. Zum Anderen ist das Album mit diesem typischen Hall der 1980er produziert. Der Einsatz von E-Schlagzeug und Synties ist absolut typisch für diese Zeit. Die Musik ist soundtechnisch spitzenmäßig in Szene gesetzt. Leider ist der Gesang sehr grenzwertig mit dem Hall überlagert, so dass die Texte manchmal nur schwer zu verstehen sind. Sehr unglücklich bei einer deutschsprachigen Platte! Demgegenüber wirken die Applausszenen des Publikums eher aufgesetzt und plump eingespielt. Aber das war damals eben so, wie gesagt: Wir reden hier von Aufnahmen, die vor vierzig Jahren gemacht wurden. ... und bei den Songs "Albatros" und "Schwanenkönig" bekomme ich immer noch Gänsehaut und Pippi in den Augen.
Für mich hat damals auch tatsächlich die Geschichte von Karat aufgehört. Die Wende- und Nachwendeveröffentlichungen der Band habe ich nicht mitbekommen und auch nicht "nachgearbeitet". Zwischendurch gab es Streitereien um Titel- und Namensrechte. 2004 verstarb der Sänger Herbert Dreilich. Seit dem singt sein Sohn Cornelius Dreilich. Das ist aber eben nicht dasselbe ... und gerade wenn Cornelius die alten Hits von seinem Vater intoniert, kann ich mir das gar nicht anhören. Nicht das der Cornelius das schlecht machen würde, aber das ist als ob man Motörhead-Songs von jemandem anderes als Lemmy Kilmister singen lassen würde.
Das Album gibt's mal wieder nicht auf Spotify und auf Youtube wäre zwar eine mitgeschnittene Version verfügbar, aber der verwendete Plattenspieler arbeitet nicht mit der passenden Geschwindigkeit. Jedenfalls ist das unhörbar und ich verlinke es nicht. Ansonsten gibt's auf Ebay oder einschlägigen Plattenbörsen immer mal wieder bezahlbare Exemplare.