Das Album dieser Woche gab's auch von Tante Trude, wegen Nichtgefallen, zurück. Ich kann tatsächlich nicht behaupten, darüber sehr unglücklich zu sein. Gleichzeitig hatte ich mir einen neuen Tonabnehmer, einen AudioTechnica VM95 ML, gekauft. Der Microline (ML) -Schliff des Diamanten sorgt für eine ganz besonders gute Auflösung, gerade in den höheren Frequenzbereichen, die für meine alten, geschundenen Ohren ansonsten immer eher etwas matschig rüber kommen. Dies nur am Rande, um zu verstehen, warum dieses Album in dieser Woche so nachhaltig bei mir eingeschlagen ist. So klar, deutlich und perfekt aufgelöst hatte ich “Mirage” noch nie gehört. (Kunststück! Bisher hatte ich das Album auch nur gestreamt bzw. ganz früher besaß ich wahrscheinlich mal eine zig-fach überspielte Kassette.)
Wie komme ich überhaupt zu Klaus Schulze? Meinen Einstieg zur elektronischen Musik hatte ich u.a. über Tangerine Dream. Klaus Schulze war Anfang der 1970er Jahre Schlagzeuger bei dieser Band. ... und wurde später als wichtiger Wegbereiter der sogenannten “Berliner Schule” gehypt. Meinen Erstkontakt hatte ich bei einem Schulfreund, wir waren 13- oder 14 Jahre alt und fanden eine Amiga-Lizenzpressung des Albums “Dig It” (für die DDR damals real-sozialistiisch umbenannt in “Elektronik-Impressionen”) bei den Platten seiner älteren Schwester. Die Innovation in dieser Musik konnte ich damals leider weder richtig fassen noch vernünftig einordnen. Irrigerweise nahm ich auch zunächst an, ich hätte es mit einem x-beliebigen protegierten DDR-Künstler zu tun und verlor sehr schnell das Interesse. Erst als ich kurz darauf die Verbindung zu Tangerine Dream hergestellt hatte, wurde mir klar mit wem und womit ich es eigentlich zu tun hatte. Der Rest ist dann Zuhören und Reinfinden.
“Mirage” ist wohl eines der bekanntesten Alben von Klaus Schulze. Nimmt man die Arbeiten mit anderen Künstlern, Soundtracks, Nebenprojekte und Titel unter Pseudonymen mit dazu, wird Klaus Schulze wohl an die 200 veröffentlichte Alben kommen. Dabei finde ich bei Weitem nicht alles gut was er gemacht hat. Insbesondere ergießt sich Klaus Schulze hin und wieder in nicht endenden Syntie-Loops, was seine Musik manchmal sehr zäh und langatmig werden läßt. Andererseits gibt es bei ihm keine Konventionen, was immer zu Neugier und Überraschungsmomenten führt. Ich lasse mich immer wieder gern inspirieren, nicht nur von den Alben die ich im Schrank stehen habe, sondern auch von den unzähligen, die ich bisher noch nicht gehört habe. Streaming sei' Dank.
“Mirage” hat auf dem Innencover den Beinamen “Eine elektronische Winterlandschaft” - und genau das ist es! Diese Winterlandschaft ... unwirtlich, kalt, glatt ist wunderbar musikalisch in Szene gesetzt. Schließe die Augen, lass' Dich darauf ein und spüre förmlich wie es zu frösteln beginnt. Das ist natürlich nichts für alle Tage und jede Stimmungslage. Ich kann sehr gut verstehen, wenn Tante Trude genau da ausgestiegen ist. Definitiv nicht jedermanns Sache ... aber definitiv meine, ... erst Recht mit einem neuen Abtastsystem unter dem Tonarm!
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