Das Album dieser Woche habe ich gestern bestellt, obwohl ich es schon sehr lange auf dem Schirm habe. Für mich ist "Filosofem" ein Prototyp eines sehr typischen Black-Metal-Albums, welches die Vielfältigkeit dieses Genres sehr überzeugend darlegt. Dabei bin ich mir der Problematik um die Band Burzum absolut bewußt.
Burzum ist das Ein-Mann-Projekt von Varg Vikernes, der Anfang der 1990er Jahre in Norwegen mehrere Kirchen niedergebrannt und seinen damaligen Mayhem-Bandkollegen Euronymous ermordet hat. Soviel zu den geschichtlich und gerichtlich belegten Tatsachen, die sich sehr eindrucksvoll in "Lord Of Chaos" im Spielfilmformat nachschauen lassen. Damit ist hinsichtlich Vikernes' Geisteszustand und seiner Persönlichkeit schon mal ein ziemlich klares Statement gesetzt. Diese Taten sind abscheulich und weder zu tolerieren noch zu akzeptieren und schon mal gar nicht zu glorifizieren. Im weiteren Verlauf wird Varg Vikernes mit seiner Hinwendung zu einer neuheidnischen Weltanschauung auch rechtsradikales Gedankengut vorgeworfen. Tatsächlich ist es nicht an mir Varg Vikernes' Weltanschauung zu be- oder verurteilen, solange sie sich im gesetzlichen und sozialen Rahmen bewegt. Soviel ich weiß, sind gegen Vikernes keine weiteren gerichtlichen Verfahren wegen politischer oder weltanschaulicher Themen anhängig. Auch Vikernes' Veröffentlichungen, sprich alle Burzum-Platten, sind uneingeschränkt zugänglich und frei verkäuflich. Soweit ich das überblicken kann, beschäftigen sich Burzums Songs mit Themen aus der Mythologie, der Interpretation von Märchen, nordischer Kultur und Naturschauspielen. Politische oder gar rassistische Aussagen sind dagegen nicht zu finden. Erstaunlicherweise werde ich allerdings bei der Eingabe des Suchbegriffs "Burzum" bei Facebook direkt darauf hingewiesen, dass dieser Suchbegriff "mit Aktivitäten gefährlicher Personen und Organisationen in Verbindung gebracht werden könnte" und das dies im Weiteren zur Sperrung meines Accounts führen könnte. Selbst das Ignorieren diverser weiterer Drohungen führt mich nicht zu Suchergebnissen die Burzum betreffen. Ich werde mir also sehr gut überlegen, ob ich jemals unter der Rubrik #NowPlaying poste, dass ich gerade eine Burzum-Platte höre. Auch das Tragen eines Burzum-T-Shirts dürfte einem gesellschaftlichen Selbstmord gleich kommen. ... und genau hier habe ich ein Problem: Solang nicht ein Richter sagt, dass ich bestimmte Sachen nicht tun darf, sollte sich das auch niemand anderes anmaßen oder mich gar dafür verurteilen. Das ist mein Grundverständnis von Freiheit und Toleranz und die offensichtliche Missachtung dieser Grundprinzipien durch diese gesellschaftliche Zensur, die sich hier eingebürgert hat, geht mir absolut gegen den Strich!
Spätestens seit Venoms "At War With Satan" bin ich der schwarz-metallischen Kunst durchaus sehr zugetan. Dabei beeindruckt mich weniger das wütende, hochstimmige Gekeife und schnelle Geknüppele mancher Genre-Vertreter sondern die unglaubliche musikalische Vielfalt, die im Black Metal steckt. ... und genau hier greift "Filosoferm" an und trifft meinen Nerv genau an der richtigen Stelle. Die ersten drei Songs sind sowas von "Metal": extrem trockene, knarzige Gitarren; extrem verzerrter Gesang (wurde mit dem Mikro eines Headsets aufgenommen); flache, dumpfe Drum und ein Synthesizer im Hintergrund für die düstere Atmosphäre. Das Riffing ist extrem monoton, fast schon langweilig, aber beim genaueren Hinhören und mehreren Durchläufen erschließen sich immer neue Fassetten und Unterspiele, so dass das sehr spannend ist. Am fünften Song "Rundgang ..." scheiden sich die Geister dann völlig. Dieses 25-Minuten-Epos ist dann wohl auch eher ein Ambiente-Stück wie es beispielsweise Brian Eno nicht hätte besser bringen können. Mit Metal hat das dann tatsächlich auch nichts zu tun, wertet diese Platte aber für mich unglaublich auf. Abgeschlossen wird das Album mit "Gebrechlich II", welcher diesen einzigartigen Mix aus düsterem Metal und Ambiente nochmal beeindruckend herausstellt und abrundet.
Wenn man sich auf dieses Album einläßt und nicht vorverurteilenden Schwachsinn aus unserer Medienlandschaft aufsitzt, wird man hier ein wahres Kunstwerk finden.
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